Ein Politiker in Delmenhorst

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Dienstag, 15. Dezember 2015

Haushaltsrede 2015 (die Zweite)

Aus guter Tradition, hier meine diesjährige Haushaltsrede im Rat der Stadt Delmenhorst. Die gestrichenen Absätze waren vorgesehen, wurden aber nicht gehalten.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, 
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, 
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

heute möchte ich unsere Ausführungen zu der diesjährigen Haushaltssitzung mit einem, wie ich finde, sehr passenden Zitat aus der Wikipedia beginnen:

Eine Makulatur (lat. maculatura „beflecktes Ding“, von macula „Fleck“) ist nutzlos gewordenes, in der Regel schon bedrucktes Papier. Insbesondere im Druckwesen wird der Ausdruck Makulatur verwendet, um schadhafte oder fehlerhafte Papierbögen zu bezeichnen, die nicht mehr zum Drucken benutzt werden können. Umgangssprachlich werden auch Verträge oder Gesetze, die nicht eingehalten oder umgesetzt werden, als Makulatur bezeichnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

zum zweiten Mal in diesem Jahr haben wir jetzt über einen Haushalt für die Stadt Delmenhorst zu beschließen. Und wieder haben wir hier ein Schriftwerk vorliegen, das uns nach den kurzen, aber intensiven Beratungen einmal mehr an dem Zustand der städtischen Finanzen schier verzweifeln lässt. Immer mehr fühlen wir uns zu reinen "Abnickern" degradiert.

So zeigen die Erfahrungen des ablaufenden Haushaltjahres, dass die Dinge, die beschlossen worden sind, häufig nur dazu dienen, Haushaltsmittel zu bunkern, um sie dann spontan auftretenden Aufgaben widmen zu können. 

Die Haushaltshoheit des Rates wird häufig durch kurzfristig notwendige, "alternativlose" Entscheidungen umgangen oder zumindest stark gedehnt. Der Hinweis auf den Erwerb von Gebäuden im Wollepark oder die Übernahme von Außenständen soll an dieser Stelle vorerst genügen.

Nicht voraussehbare, aber anstehende Belastungen durch die ungeklärte Situation im Bereich der Flüchtlingsbewegungen erschweren die Aufstellung des Haushalts weiterhin. Ebenso ist die finanzielle Zukunft des Klinikums - die Geld-zurück-Garantie wurde bekanntlich hier beschlossen - der Grafttherme und die der vielen anderen Groschengräber der Stadt ungeklärt bzw. ungesichert. Trotzdem hat man in den Beratungen das Gefühl, dass sich die meisten KollegInnen und Kollegen nicht über die tatsächliche finanzielle Situation der Stadt im Klaren sind. Wie in den Vorjahren werden hier und da die Wohltaten verteilt und die Partikularinteressen des eigenen Umfelds mit Mitteln bedacht, obwohl - und das sei hier ausdrücklich genannt - Delmenhorst KEIN Geld besitzt! Manchmal wünscht man sich wirklich, in diesem Rat würden mehr Finanzpolitiker und weniger Sozialpolitiker sitzen. Zumindest könnte man dann einmal ohne Sozialromantik über die dringend notwendigen Sparbemühungen der Stadt reden.

Die Gesamtverschuldung der Stadt steigt immer weiter, teils offen ausgewiesen, teils durch undurchsichtige Kassenkredite oder andere Transaktionen verschleiert. Wir haben inzwischen einen Berg an Schulden aufgehäuft, den unsere Urenkel noch werden abtragen müssen. Hoffen wir, dass es vorher zu einem Schuldenschnitt kommt, denn ansonsten werden die nachfolgenden Generationen auf Jahrzehnte hinaus keinerlei Handlungsspielraum mehr haben. Nicht auszudenken, wie wir handeln wollen, sollten die Zinsen für die aufgenommenen Kredite wieder anziehen. Wie die Stadt Delmenhorst die Schuldenbremse, so sie denn plangemäß in 2020 kommen sollte, schaffen will, steht in den Sternen.

Uns PIRATEN fehlen weiterhin die Sparbemühungen in der Verwaltung und der unbedingte Wille, die Organisation zu straffen. Wenn sich neue Tätigkeitsfelder auftun, werden neue Stellen beantragt, anstatt die Überprüfung auf wegfallende Aufgaben oder die Möglichkeit der Optimierung der Arbeitsabläufe darzulegen. Es weisen selbst die Prüfer der übergeordneten Behörden regelmäßig auf die Defizite in der Verwaltung hin, so schreibt am 20.11.2015 der Landesrechnungshof unter anderem: "Ich empfehle der Stadt Delmenhorst aufgrund der derzeit noch bestehenden hohen Liquiditätsverschuldung und dem damit verbundenen Zinsänderungsrisiko, auch ohne Verpflichtung das Haushaltssicherungskonzept fortzuschreiben. Dabei sollte die Stadt die Hinweise des Ministeriums beachten. Insbesondere sollte sie eine Aufgaben- und Produktkritik durchführen. Im Einzelnen sollte sie prüfen, ob Aufgaben überhaupt, teilweise oder gar nicht (mehr) wahrgenommen werden müssen und inwieweit die Aufgabenwahrnehmung sachgerecht und wirtschaftlich ist. Die Stadt kann hierüber zusätzliche Handlungsspielräume gewinnen."
Am 04.11.2014 hieß es, dass z.B. bei der unteren Bauaufsichtsbehörde, die Bestandteil einer Sonderprüfung durch den Landesrechnungshof war, "... wirtschaftliche Aspekte [...] nicht oder nur in geringem Umfang Inhalt von Überlegungen zu Optimierungen von Organisations- und Aufgabenstrukturen [waren]..." und "Die Stadt [...] nicht alle Gebührentatbestände der Baugebührenordnung aus[-nutzte]. Sie hätte ... zusätzliche Einnahmen in Höhe von jährlich 20.000 € generieren können." Und hier reden wir von einem einzigen Fachdienst! Nicht auszudenken, wie dies in anderen Fachbereichen kummuliert aussähe. Nicht zuletzt aus diesen Gründen heraus begrüßen wir es nachdrücklich, dass durch einen externen Dienstleister die Struktur und Organisation der Verwaltung überprüft werden soll. Hoffen wir nur, dass sich die Entscheidungsträger in 2-3 Jahren dann auch trauen, die notwendigen Maßnahmen zu beschließen.

Wir haben nun zum vierten Mal hintereinander einen Haushalt abzusegnen, ohne einen Haushaltsabschluss des Vorjahres vorliegen zu haben, ja, sogar seit 2011 liegt bekanntlich nicht ein einziger Abschluss vor. So werden, naturgemäß, die Ansätze zunehmend unschärfer, weil die Korrektur durch die Vorjahresergebnisse fehlen. Wir beraten und beschließen hier sozusagen im Blindflug mit mangelhaften Navigationsinstrumenten. Natürlich muss das, was hier am Ende herauskommt, dann Makulatur sein...

Wir PIRATEN stehen für eine offene, transparente und nachvollziehbare Haushaltspolitik. Und wir stehen auch dafür, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Es geht hier um die Verantwortung für die Zukunft unserer Stadt, die wir alle als gewählte Vertreter übernehmen müssen. Verantwortung zu übernehmen, heißt aber gerade auch zu sagen, so geht es nicht! Daher sehen wir uns nicht in der Lage, für diesen Haushaltsentwurf die Verantwortung zu übernehmen und werden diesem nicht zustimmen.

Vielen Dank.