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So zu erleben am vergangenen Dienstag während der jüngsten Sitzung des Rates der Stadt Delmenhorst. Es ging um ein, für alle Politiker immer sehr unangenehmes Thema: "Steuererhöhungen". Niemand zahlt mit Begeisterung Steuern und noch viel weniger Politiker erhöhen sie leichten Herzens. Holen wir aber ein wenig weiter aus und schauen uns die Vorgeschichte an, und wie es dazu kam, ja kommen musste.
Der Haushalt der Stadt Delmenhorst befindet sich seit Jahren in der Schieflage. So konnten, auf dem Papier, ausgeglichene Haushalte in den letzten beiden Jahren nur durch allerhand Taschenspielertricks erreicht werden, so z.B. durch die Angabe pauschaler Einsparungen in Fachbereichen, die überwiegend gesetzlich verbindliche Ausgaben zu tätigen haben. Es wäre natürlich einfach, hier darauf hinzuweisen, dass die PIRATEN hier dieses Vorgehen stets kritisiert haben und den Haushalten nicht zugestimmt haben, es sei hier aber trotzdem dokumentiert.[1] [2]
Nach der Neuwahl des Oberbürgermeisters im Mai 2014 sollte nun eine neue Ehrlichkeit bei der Haushaltsführung und -Beratung Einzug halten. Diese "neue Ehrlichkeit" führte nun dazu, das uns als Fraktionen im Stadtrat bereits vor dem offiziellen Amtsantritt des neuen Oberbürgermeisters am 01.11.2014 in mehreren Gesprächsrunden die tatsächliche Lage des Haushalts der Stadt dargelegt wurde. Ein Verfahren, dass wir so bisher nicht kannten. Am Ende kam bei diesen Runden heraus, dass wir auf ein Haushaltsdefizit für das Jahr 2015 in Höhe von ca. 5.500.000 Euro hinsteuern, dass wir alleine durch Kürzungen der freiwilligen Leistungen, selbst wenn wir alles streichen würden, nicht würden ausgleichen können. Also, selbst wenn wir alle sozialen Einrichtungen schließen, alle Zuschüsse streichen, alle Jugendhäuser schließen würden, könnten wir im Jahr 2015 den Haushalt nicht ausgeglichen gestalten.
In dieser Situation hatten wir jetzt 2 Optionen:
1. Wir beschließen einen nicht ausgeglichenen Haushalt für das Jahr 2015. Die Kommunalaufsicht ordnet an, dass wir ein Haushaltssicherungskonzept erstellen müssen und schickt uns einen "Sparkommissar", der sämtliche Leistungen streicht und alle Steuern auf den Maximalsatz erhöht. Ohne weiteres Zutun des Rates, ohne Abstimmungen - einfach Kraft des Amtes. Hinzu kommt ein sofortiger Anstieg der zu entrichtenden Zinsen für die aufgehäuften Schulden.
2. Wir versuchen durch einen Mix aus Steuererhöhungen und Einsparungen den Haushalt doch noch ausgeglichen aufzustellen und arbeiten an der Konsolidierung für die Jahre 2016 ff.
Uns allen, also allen Fraktionen im Rat, war klar, dass die Option 1 die schlechteste aller Möglichkeiten darstellt und möglichst vermieden werden sollte. Es wurden nun also die Vorlagen für die Ausschüsse vorbereitet, die Fraktionen unterrichtet und zumindest wir als PIRATEN stellten unsere Strategie für die kommenden Beratungen auf: Tragen der Erhöhungen bei gleichzeitiger Forderung nach Verminderung der Defizite bei den Einrichtungen der Stadt und Überprüfung der Organisation der Verwaltung und Optimierung der Organisation, um so Stellen einzusparen. Und wir tragen die Erhöhung noch im Dezember 2014 mit, damit die Mittel im Jahr 2015 zur Verfügung stehen - auch wenn die Haushaltsberatungen erst später stattfinden. Wir wären auch bereit gewesen, im Jahr 2014 noch den Haushalt für 2015 zu verabschieden.
Je näher nun die entscheidende Ratssitzung kam, desto schlimmer wurden die Nachrichten, die uns erreichten: Hier eine Million weniger vom Land, hier mehr Ausgaben als geplant, hier ein Belegungsrückgang in den städtischen Kliniken und ein erhöhter Zuschussbedarf und so weiter und so fort. Das Defizit, dass wir ausgleichen müssen, wurde und wird zur Zeit mit jedem Tag größer.
Aber - und das verwundert den, der Rechnen kann, dann doch, auch die Ablehnung der Steuererhöhungen durch Teile des Rates wuchs mit jedem Tag. Erst die FDP, die jegliche Erhöhung grundsätzlich ablehnt (ohne hier natürlich Vorschläge zu machen, wie es denn sonst gehen sollte), dann die CDU, die auf vorherige Haushaltsberatungen für 2015 bestand. (Nachvollziehbar, allerdings auch ein wenig trotzig, da ja gerade auch die CDU für die Verschiebung der Beratungen in den Januar 2015 war. Ergänzung nach Hinweis der CDU: "Für uns (die CDU) war die Begründung der Verwaltung für die Steuererhöhungen viel zu dünn. Zudem fehlen uns belastbare Zahlen, wonach die einzelnen Fachbereiche bereits versucht Einsparungen zu erzielen. Steuererhöhungen dürfen nach unserer Auffassung nur der allerletzte Schritt sein, wenn alle möglichen Einsparmöglichkeiten ausgeschöpft sind.Machen wir uns nichts vor, die nun erhöhten Steuern werden nie wieder abgesenkt!") Die UAD schloss sich dem an und zu guter letzt passte dem Bürgerforum/Freie Wähler die Verlängerung des Vertrages des Chefs der Stadtwerke nicht und sie lehnten deswegen die Erhöhung der Steuern ab.
Das bei der eigentlichen Ratssitzung dann auch noch Bürger erschienen, die ihrem Unmut über die Erhöhung der Hundesteuer Luft machten, erleichterte natürlich die ablehnende Haltung der o.a. Fraktionen deutlich. Auch wir haben natürlich Verständnis für die Proteste der Bürger, müssen aber trotzdem zu diesen Maßnahmen ergreifen.
Nun ist es natürlich das gute Recht der Abgeordneten und entspricht dem Wesen der Demokratie, dass man in solchen Themen unterschiedlicher Meinung ist und auch, gerne, kontroverse Debatten und Abstimmungen stattfinden. Gerade wir fordern ja immer die Abschaffung, ja das Verbot des Fraktionzwangs und freie Abstimmungen. Aber, jeder Mandatsträger trägt auch Verantwortung. Verantwortung für die gesamte Stadt heute - und für die Zukunft.
Wenn man sich jetzt hier auf die komplette Verweigerung zurückzieht, dann kann man das machen, aber dann ist das plumper Populismus und verantwortungslos. Gerade auch dann, wenn man keine Vorschläge unterbreiten kann, wir man das Dilemma ansonsten auflösen soll.
Und eines sei auch klar gesagt: Selbst ein genehmigungsfähiger, also "ausgeglichener" Haushalt bedeutet am Ende nur, dass wir unsere Kreditlinie eingehalten haben. Vom Abbau der Schulden kann hier überhaupt noch keine Rede sein. Wir stellen uns also der Kritik aus der Bevölkerung, diskutieren, nehmen Anregungen an und werden unseren Kurs immer vertreten.