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Donnerstag, 18. September 2025

Berufspolitiker abschaffen?

Berufspolitiker abschaffen? – Ein Vorschlag für mehr Bürgernähe in der Politik

Die Politikverdrossenheit in Deutschland wächst seit Jahren. Viele Menschen haben den Eindruck, dass Abgeordnete „abgehoben“ sind, sich in Berlin oder Hannover von der Lebensrealität entfernen und eher ihre Karriere im Blick haben als die Interessen der Bürger. Ein zentraler Grund dafür ist die Figur des Berufspolitikers: Menschen, die über Jahrzehnte hinweg nur Politik machen, von einem Mandat ins nächste wechseln und ihren gesamten Lebensentwurf auf Ämter und Wahlerfolge ausrichten.

Doch wie könnte man dieses Muster durchbrechen und wieder mehr Bürgernähe in die Parlamente bringen? Hier ein Vorschlag, der radikal klingt – aber ernsthaft diskutiert werden sollte.


Die Grundidee: Politik auf Zeit

  1. Begrenzte Amtszeit
    Jeder Abgeordnete darf insgesamt höchstens 8 Jahre ein Mandat ausüben. Danach ist Schluss – eine politische Lebenskarriere ist damit ausgeschlossen.

  2. Längere Wahlperioden mit Rotation
    Die Wahlperiode selbst wird auf 8 Jahre festgelegt. Alle 4 Jahre wird die Hälfte der Mandate neu gewählt. Alternativ könnte man ein Drittelturnus-System einführen, bei dem alle 3 Jahre ein Drittel des Parlaments neu bestimmt wird. So entsteht ein Gleichgewicht zwischen Erneuerung und Stabilität.

  3. Rückkehr ins Berufsleben
    Nach Ende der Mandatszeit kehren die Abgeordneten wieder in ihre ursprünglichen Berufe zurück. Während ihrer Zeit im Parlament zahlt der Staat Renten- und Sozialversicherungsbeiträge, eine Sonderaltersversorgung für Abgeordnete gibt es nicht mehr.


Die Vorteile

  • Mehr Vielfalt im Parlament: Menschen aus allen Lebensbereichen können sich einbringen – Handwerkerinnen, Lehrer, Ingenieure, Pflegekräfte, Unternehmer. Politik wird wieder ein Spiegel der Gesellschaft.

  • Weniger Karrieredenken: Wenn eine Wiederwahl nur begrenzt möglich ist, tritt die Fixierung auf Macht und Posten in den Hintergrund.

  • Bürgernähe bleibt erhalten: Abgeordnete bleiben Bürger auf Zeit – und wissen, dass sie nach der Amtszeit wieder in ihrem Alltag stehen werden.


Aber: Wo liegen die Probleme?

Natürlich gibt es auch kritische Punkte. Politik ist komplex, und Erfahrung ist wertvoll. Wenn Abgeordnete regelmäßig nach acht Jahren ausscheiden, könnte wertvolles Wissen verloren gehen. Zudem droht, dass weniger erfahrene Parlamentarier stärker von Verwaltung und Lobbyisten abhängig werden. Und: Menschen, die beruflich bereits fest etabliert sind, könnten zögern, für eine kurze Zeit ins Parlament zu gehen, wenn das ihre Karriere gefährdet.


Verfeinerungen zur Lösung der Probleme

Um diese Nachteile abzumildern, braucht es flankierende Maßnahmen:

  1. Erfahrung sichern durch Mentorenprogramme
    Neue Abgeordnete sollen systematisch von erfahrenen Mandatsträgern begleitet werden. So geht Wissen nicht abrupt verloren. Außerdem könnte nach einer Wartezeit von 8 Jahren eine erneute Kandidatur möglich sein – ohne dass Berufspolitik entsteht, da eine Dauerkarriere ausgeschlossen bleibt.

  2. Unabhängige Expertise im Parlament stärken
    Um Abhängigkeit von Lobbyisten und Ministerialbürokratie zu verhindern, braucht es eine deutlich gestärkte wissenschaftliche Abteilung des Parlaments. Sie stellt Abgeordneten unabhängige Gutachten und Hintergrundwissen bereit.

  3. Attraktivität des Mandats sichern

    • Rückkehrrecht in den Beruf: Arbeitgeber müssen Abgeordneten nach Ende des Mandats einen gleichwertigen Arbeitsplatz anbieten.

    • Weiterbildungsprogramme: Während der Mandatszeit werden berufliche Qualifizierungen gefördert, um den Wiedereinstieg zu erleichtern.

    • Faire Vergütung: Abgeordnete erhalten ein gutes Gehalt, aber keine Sonderrenten mehr.

  4. Stabilität schaffen trotz Rotation
    Durch die Wahl von nur einem Teil der Abgeordneten (z. B. 50 % alle 4 Jahre) bleibt das Parlament handlungsfähig und kontinuierlich arbeitsfähig – ohne Dauerwahlkampf.

  5. Langfristige Politik ermöglichen
    Fraktionen müssen zu Beginn der Amtszeit Projekte für die gesamte Periode festlegen. Ein interfraktioneller Ausschuss begleitet diese Projekte über mehrere Wahlperioden hinweg, auch wenn Abgeordnete ausscheiden. Ergänzend sollten Bürgerräte und Bürgerdialogformate systematisch eingebunden werden.


Ein Modell für echte Bürgerparlamente

Mit diesen Anpassungen würde ein System entstehen, das sowohl Bürgernähe als auch Professionalität sichert:

  • Keine Berufspolitiker mehr, die Jahrzehnte im Parlament sitzen.

  • Gleichzeitig genug Struktur und Expertise, um langfristig zu planen.

  • Sicherheit für die Menschen, die sich auf Zeit in die Politik wagen.

Es wäre ein Bruch mit den bisherigen politischen Traditionen in Deutschland – und vielleicht genau das, was notwendig ist, um Vertrauen zurückzugewinnen.

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