Eines der größten Probleme unseres politischen Systems, oder besser gesagt unserer gewählten Volksvertreter, ist es, das sich inzwischen das Berufspolitikertum vollständig etabliert hat. Wurden nach dem Krieg und in den 50er Jahren häufig auch "normale" Arbeitnehmer und Mitglieder aller gesellschaftlichen Schichten in die verschiedenen Volksvertretungen gewählt, so ist dieses heute eigentlich nur noch in den Kommunalvertretungen der Fall. Ab der Landesebene aufwärts finden sich fast nur noch Juristen und im öffentlichen Dienst Beschäftigte in den Volksvertretungen. Ein großer Teil dieser Abgeordneten hat inzwischen ihre komplette Lebensplanung auf die Ausübung des Berufes "Politiker" ausgerichtet. Leider hat dieser Beruf einen entscheidenden Nachteil: Es werden nur befristete Verträge ausgestellt. Ein Mandat auf Lebenszeit sieht unser politisches System nicht vor. Daher ist der Berufspolitiker natürlich immer darauf angewiesen wiedergewählt zu werden. Ansonsten ist er ein sogenannter Versorgungsfall, der von seiner Partei, mit Glück, in einem Aufsichtsrat oder einer Stiftung entsorgt wird. Führt man sich vor Augen, das der Entscheidungsprozess der Altparteien über Direktkandidaten und Listenplätze eine Vorlauf von fast zwei Jahren hat, ist ein Berufspolitiker also die Hälfte seiner Zeit entweder im innerparteilichen oder im öffentlichen Wahlkampf. Wird er dann eine Vertretung gewählt, in der er sich auskennt und kann sich mit seinen Schwerpunkten weiterhin beschäftigen, kann dann wenigsten zwei Jahre sinnvoll gearbeitet werden. Ist der allerdings woanders gelandet, gar als Minister in einem relativ fremden Fachgebiet, geht ein guter Teil der produktiv zu nutzenden Zeit zur Einarbeit flöten.
Das System führt also dazu, das wir inzwischen glattgespülte, auf einfache Wiederwahl geeichte Berufspolitiker in unseren Parlamenten sitzen haben, die von den eigentlich zu bearbeitenden Themen wenig bis gar keine Ahnung haben. (Auch so ein Treppenwitz der Geschichte: kinderloser Single wird Familienministerin).
Um jetzt trotzdem überhaupt etwas entscheiden und gestalten zu können, sind unsere Politiker auf externes Fachwissen angewiesen, das entweder über teure Gutachten oder umsonst über Lobbyisten an Sie herangetragen wird. Und da es sich herausgestellt hat, das hier anscheinend gewinnt, wer am lautesten trommelt, werden also die Politiker von den gut bezahlten Berufslobbyisten unter Dauerfeuer genommen, bis die genehmen Gesetze verabschiedet sind. So stehen in der aktuellen Aufstellung der akkreditierten Lobbys über 2100 Verbände, die versuchen auf die Gestaltung der Politik Einfluss zu nehmen. Unsere Politik wird also maßgeblich bestimmt von nicht demokratisch legitimierten Interessenverbänden, die sich für ihre Kernthemen massiv einsetzen. Würde dieses Transparent, z.B. über eine Website mit der Darstellung der verschiedenen Standpunkte der verschiedenen Interessenvertreter und den Argumenten für oder gegen eine Entscheidung für jeden einsehbar geschehen, wäre noch nicht einmal etwas dagegen zu sagen. Leider ist dem aber nicht so, und nicht bei jeder Entscheidung wird klar, wer in welcher Richtung gedreht wurde.
Dieses ist ein Thema dem sich die Piratenpartei annehmen musste und angenommen hat. Wir lehnen intransparenten Lobbyismus ab und fordern die Offenlegung der Entscheidungswege. Und in diesem Zuge muss es auch dazu kommen, das wieder alle Bevölkerungsgruppen und -schichten angemessen im Parlament vertreten sind.
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