Ein Politiker in Delmenhorst

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Mittwoch, 21. Februar 2018

Geht so die Zukunft?

Momentan wird in meinem Umfeld ja kaum ein Thema heißer diskutiert als die Neuauflage der "großen" Koalition in Berlin. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich das hier schreibe (heute ist der 21.02.2018) läuft die Urabstimmung der SPD-Mitglieder über die Teilnahme an der "#Groko". Und ich wage jetzt mal die Voraussage, dass sich die Mitglieder knapp für eine Regierungsbeteiligung entscheiden werden. Aus Staatstragenden Erwägungen heraus. Das alte geschichtliche Dilemma der SPD: Staatstragend sein zu müssen. 

Nun haben die Unterhändler aus Sicht der SPD zwar durchaus einige kleinere Erfolge erzielt, im Koalitionsvertrag lässt sich durchaus das eine oder andere Anliegen der Sozialdemokraten ersehen, aber zum Einen war das im letzten Koalitionsvertrag ja auch so, nur dass fast nichts davon realisiert wurde und zum Anderen - und das ist für mich das tatsächlich bestürzende an dieser Regierungsbildung, es werden mal wieder keine der wirklich wichtigen Fragen unserer Gesellschaft aufgegriffen. Und diese Fragen sind für mich (unter anderem)


Unser Sozial- und Rentenversicherungssystem


Die Rentenbeiträge sollen nicht über 20% steigen, das Rentenniveau auf 48% bleiben. Bei immer mehr Rentenempfängern, tendenziell immer weniger Einzahlern und weiter steigender Lebenserwartung. Man muss hier nicht Mathematik studiert haben, um zu erkennen, dass das nicht gehen kann. 

Nun gibt es hier mehrere Lösungsansätze um ein wenig mehr Sinn und Gerechtigkeit in diese Sache zu bringen, als da unter anderem wären:


  • Erhöhung der Beitragsbasis. Alle steuerpflichtigen Einkommen müssen in die Sozialsysteme einzahlen. Die Konzepte liegen vor, beispielsweise hier ein Auszug aus dem aktuellem Wahlprogramm meiner ehemaligen Partei: "Alle bestehenden Rentensysteme, berufsständischen Versorgungssysteme und Pensionen im öffentlichen Dienst werden zu einer Rentenkasse zusammengeführt. Alle steuerpflichtigen Einkommen und Kapitalerträge werden zur Zahlung von Rentenbeiträgen verpflichtet. Keine Berufsgruppe wird ausgenommen, die Bemessungsgrenze soll entfallen. In die Rentenkasse zahlen alle in Deutschland lebenden Menschen einkommensabhängig ein. Die Beiträge von Selbstständigen werden sich an ihren jeweiligen Unternehmenszahlen orientieren, sodass diese in ihrer Existenz nicht gefährdet werden. Die Rentenbezüge bewegen sich in einem Korridor von Mindest- bis Maximalrente. Die Renten werden jährlich um einen Faktor, der die Inflationsrate berücksichtigt, angepasst. Dieser Faktor berücksichtigt außerdem die Änderung weiterer Kosten, wie zum Beispiel  Gesundheitskosten. Die staatliche Rentenkasse verwaltet sich eigenverantwortlich, ohne direkten Zugriff durch den Staat. Der Staat schafft den gesetzlichen Rahmen. Die Rentenkasse ist für die Rente zweckgebunden! Für Pensionsansprüche soll der Gesetzesgeber eine entsprechende Übergangslösung ausarbeiten."

  • Steuerfinanzierung der Renten. "Die Rente basiert in Deutschland auf einem vorwiegend beitragsfinanzierten System. Wer der Versicherungspflicht unterliegt, finanziert mit seinen Beiträgen die Rentner von heute. Daraus folgt: Übersteigen die Ausgaben die Einnahmen, muss der Beitragssatz steigen. Dadurch hängt das System stark von der Struktur der Beitragszahler und Rentner und damit von Faktoren wie der demographischen Entwicklung ab. Eine Alternative zu diesem Mechanismus ist ein stärker steuerfinanziertes System. So könnten etwa sogenannte versicherungsfremde Leistungen grundsätzlich aus Steuereinnahmen bezahlt werden. Zu diesem Posten zählen alle Leistungen, die von der Rentenversicherung getragen werden, obwohl sie eigentlich nicht in ihrem Aufgabenbereich liegen."

  • Daneben gibt es hier noch eine Reihe weiterer Ansätze, die durchaus sinnvoll und auf jeden Fall diskutabel sind.
Fakt ist, dass sich mit der #Groko auch in den nächsten gut 3 Jahren hier nichts ändern wird. Und das ist eine verschenkte Zeit. Wieder einmal. 


Steuergerechtigkeit herstellen

Unser Steuersystem ist ein System der Ungleichheit und der Ungerechtigkeit. Die Schlupflöcher sind so groß, das unserem Staat jedes Jahr Mittel im deutlich 2stelligen Milliardenbereich entgehen. Mehrfache Millionäre zahlen weniger Steuern als Facharbeiter und Verkäuferinnen. Hier braut sich enormer sozialer Sprengstoff zusammen. Hinzu kommen undurchschaubare Konstruktionen die sich dem gesunden Menschenverstand komplett entziehen. Es muss hier endlich gelten, dass jedes Einkommen zu versteuern ist und auch der Wirtschaft die Möglichkeiten der Steuervermeidung genommen werden. Und das gesamte Steuersystem ist so aufzustellen, dass tatsächlich jeder ohne weitere Unterstützung in der Lage ist, seine Steuererklärung abzugeben. 
Und auch hier sind außer ein paar Steuergeschenken keine großen und tiefgreifenden Reformen in den nächsten Jahren zu erwarten. 


Digitalisierung der Wirtschaft


Durch den zunehmenden Einsatz von technischen Hiftsmitteln und moderner Software werden in den nächsten 10 - 20 Jahren in Deutschland mehrere Millionen Arbeitsplätze wegfallen. Diesen Prozess werden wir nicht aufhalten können. Vielmehr muß dieser Prozess begleitet und gestaltet werden. Viele Fragen werden sich in diesem Kontext stellen, unter anderem auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit unseres Arbeitsmarktes überhaupt. Es müssen Wege gefunden werden, den betroffenen Menschen Perspektiven zu geben und auch die Besteuerung der Wertschöpfung muss komplett neu gedacht werden. Wir werden unser Sozialsystem auf Dauer nur aufrecht erhalten können, wenn wir bereit sind auch unpopuläre Wege zu gehen und Kritik auch aus der Wirtschaft einmal auszuhalten. 
Und auch hier ist von der "neuen" Groko außer mehr Breitband und einem Bürgerportal herzlich wenig zu hören. Hier wird unsere Zukunft auf dem Gral des Machterhalts geopfert.


Was ist also die Alternative zur Neuauflage des CDU/CSU/SPD Bündnisses?


Nun, als überzeugten Demokraten kann mich das Konzept einer Minderheitsregierung immer begeistern. Liegt doch in der hier immer wieder neu zu findenden Mehrheit ein riesen Begeisterungspotenzial für unser demokratisches System. Keine festgeklopften Mehrheiten, sondern lebendige, politische Debatten. Das Ringen um Mehrheiten für Vorhaben und auch die Möglichkeit, aus der "Opposition" heraus Abstimmungen zu gewinnen - ich denke am Ende würden wir alle gewinnen. Wir müssen uns nur trauen. Aber es gibt bessere Alternativen als weitere 3 1/2 Jahre "weiter so".