Ein Politiker in Delmenhorst

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Montag, 4. März 2019

Vorschlag für ein alternatives Delegationssystem

BPT 12.2 der Piratenpartei. CC BY-SA 3.0 Klabautercast
Häufig wird man gefragt, woran denn die Piraten gescheitert sind. Unter den vielen Gründen, wie z.B. der mangelnden Kommunikationskultur, der programmatischen Beliebigkeit und auch dem Personaltableau ist einer der wesentlichen Gründe die unbedingte Basisdemokratie. Warum denn das, wird dann entgegnet, warst du nicht auch immer einer der Verfechter dieser Demokratieform? Ja, stimmt, ich war immer einer derjenigen, die dieses Prinzip vertreten haben. Aber - und auch das gehört ja zum politischen Leben dazu - man hört nie auf zu lernen. Und die Basisdemokratie hat bei den Piraten alle ihre Schwächen nur allzu deutlich gezeigt. Na, dann zähl doch mal die Schwächen auf, wird man dann aufgefordert. Nun, gerne:


  1. Die Basisdemokratie bevorzugt sympathische, einfache Lösungen. Sperrige Kandidaten oder unangenehme aber notwendige Entscheidungen werden häufig nicht getroffen beziehungsweise gewählt, da sich viele der Teilnehmer an Parteiversammlungen nicht hinreichend informieren und die Entscheidungen erst während der Veranstaltung aus dem Bauch heraus treffen.

  2. Die vollkommen willkürliche Zusammensetzung der Versammlungen bringt ebenso willkürliche Entscheidungen hervor. Wenn z.B. ein Bundesparteitag der Piraten in Kiel stattfindet, sind die Piraten aus Norddeutschland dort in der Mehrheit, einfach weil ihr Weg nicht so weit ist. Die Idee der Basisdemokratie funktioniert eben genau dann nicht, wenn die Basis bei jeder Veranstaltung anders zusammengesetzt ist.

  3. Aus den ersten beiden Punkten geht hervor, dass in einer basisdemokratischen Partei die Vorstände bei jeder anstehenden Wahl ebenso vollkommen willkürlich komplett neu besetzt werden. Wenn dann die Wahlperiode, wie bei den Piraten üblich, nur ein Jahr dauert, hat man keinerlei Kontinuität in der politischen Arbeit und in der Verwaltung der Partei. Auch dieses ist ein riesen Problem und hat letztendlich zum Scheitern der Piraten geführt.

  4. Eine starke, sich einige Gruppe kann relativ einfach eine Versammlung "entern", einfach indem sie durch starke Anwesenheit für Mehrheiten sorgt. An der "Alternative" kann man sehr schön beobachten, wie die Rechtsextremen, obwohl eigentlich nicht in der Mehrheit in der Partei, immer mehr Schlüsselpositionen übernehmen und die gemäßigten Kräfte aus der Vereinigung vertreiben.
Also dann doch lieber Delegierte? Nein - zumindest nicht in der althergebrachten, sozialdemokratisch geprägten Form. Es ist mir nie klar geworden, warum der Ortsverein dem man angehört oder der Landesverband in dessen Grenzen man nun zufällig wohnt, etwas über die Qualifikation einer Person für ein bestimmtes Amt aussagt. Aber genau das ist die Quintessenz des Delegiertensystems. Große Verbände stellen viele Delegierte und damit bilden sie Mehrheiten für ihre Kandidaten - egal wie gut oder schlecht diese sind. Und das passiert auf allen Ebenen. In diesem System liegt eine der Ursachen für die momentane Schwäche der Sozialdemokratie. Dieses System ist in etwa so beweglich wie ein großer Containerfrachter und so durchlässig wie ehedem der "Eiserne Vorhang". 

Kommen wir also zu meinem Vorschlag: Tokens statt Räume. 

Was ist damit gemeint? Nun, wie oben angeführt entscheiden bei dem herkömmlichen Delegiertensystem die Herkunft der Delegierten und die Stärke der Verbände über die Zusammensetzung der Parteitage. Leistung oder Talent spielen hier keine Rolle. Wie wäre es also, wenn man ein System hätte, bei dem man über einen gewissen Zeitraum hinweg "Token" sammeln kann und am Ende immer die Mitglieder als Delegierte eingeladen werden, die die meisten "Token" erworben haben. Die Verleihung eines "Token" wird von der jeweiligen Mitgliederversammlung mit Begründung beschlossen und muss von der nächsthöheren Gliederung bestätigt werden. Ein "Token" könnte zum Beispiel für die Organisation eines Wahlkampfs, die gute Arbeit als Vorstand oder auch für das ehrenamtliche Engagement in einer Wohlfahrtsorganisation verliehen werden. Ebenso können "Token" auch wieder aberkannt werden, wenn die Person zum Beispiel durch längere Inaktivität aufgefallen ist. 

Ja, aber das ist doch nichts anderes als Delegiertenwahlen wird einer der Einwände lauten. Ja -  aber Nein. Ja, es werden so Delegierte bestimmt, aber auch Nein, denn es hat so wirklich jeder die Möglichkeit Delegierter zu werden, unabhängig von der Herkunft und dem Wohnort. Und auf den Parteitagen sind dann die Mitglieder der Partei vertreten, die durch ihre Leistung überzeugt haben und nicht durch irgendwelche Seilschaften im Hintergrund gestützt wurden. Durch die Bestätigung der "Gutschrift" durch die jeweils nächst höhere Gliederung kann auch dem Missbrauch ein Stück weit Einhalt geboten werden. 

Sicherlich braucht diese Idee noch ein wenig Feinschliff - aber als alternativer Ansatz kann man bestimmt bei einer eventuellen Neugründung einer Partei damit arbeiten. Daher stelle ich das dann mal unter CC BY-SA 3.0 Lizenz.

Ergänzung vom 18.03.2019



Ich wurde angesprochen, wie man bei kleinen Verbänden den Missbrauch verhindern könnte. Meine Idee wäre hier eine Gewichtung über die Gliederungsebene und der Mitglieder einzubauen. Im Einzelnen würde es so sein, dass jede Ebene über den Schlüssel

1/ Hierarchieebene * Anzahl Mitglieder der Ebene (oberhalb der untersten Ebene die Mitglieder des Vorstands) 

 seine Token vergeben kann. Im Detail also wie folgt:


  • Der Bundesvorstand mit 9 Mitglieder kann 9 Token vergeben 
  • Der Landesvorstand mit ebenfalls 9 Mitgliedern kann 4,5 Token vergeben (1/2 * 9)
  • Der Bezirksvorstand mit 11 Mitgliedern kann 4 Token vergeben (gerundet 1/3 * 11)
  • Der Kreisverband mit 7 Mitgliedern kann 2 Token vergeben (gerundet 1/4 * 7)
Dadurch wird die Manipulation durch kleine Verbände eingeschränkt.

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