Jetzt ist sie also vorbei, die Wahl, die unsere Gemeinde für die nächsten fünf Jahre prägen wird. Eine neue Oberbürgermeisterin wurde gewählt, und auch wenn ich diese Zeilen vor der Stichwahl am 26.09.2021 geschrieben habe, so bin ich mir sicher dass unsere OBin für die nächste Zeit Petra Gerlach heißen wird. Und ein neuer Stadtrat wurde gewählt, dem ich nicht wieder angehören werde.
Im Laufe des Wahlkampfs sind mir ein paar Dinge aufgefallen, die ich gerne hier mit den geneigten Lesern teilen möchte:
1. Die schlechteste Entscheidung des Landes für die Kommunen war die Verkürzung der Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten auf fünf Jahre und die Synchronisierung der Amtszeiten.
Das führte bei uns dazu, dass jede Gruppierung, die überhaupt noch zur Geltung kommen wollte, eine eigene Kandidatin bzw. einen eigenen Kandidaten für die Wahl der Oberbürgermeisterin aufgestellt hat. Mit insgesamt 11 Kandidaten war das Bewerberfeld extrem zersplittert und unübersichtlich. Und durch die Fokussierung der Medien auf diese 11 Kandidaten ist die eigentlich entscheidende Wahl, nämlich die des Stadtrats komplett in der Berichterstattung untergegangen. Bei Gelegenheit werde ich eine Auswertung nachreichen, aber ich schätze, dass mindestens 80% der Berichte über die Wahl sich einzig und allein auf die Kandidaten für den Posten des HVB bezogen hat.
Hinzu kommt, dass es in diesem Jahr, anders als bei den vorangegangenen Kommunalwahlen, nicht eine Veranstaltung gegeben hat, bei der die Parteien sich für die Kommunalwahl hätten vorstellen können. Es gab aber 2 Podiumsdiskussionen der VHS mit den OB-Kandidat:innen. Die Frage stellt sich, ob da nicht eine gereicht hätte und der andere Termin für die Stadtratswahl genutzt hätte werden können. Vielleicht das einmal als Anregung. Ähnlich einseitig waren z.B., die gut gemachten Videointerviews der Delmenews, wo in zwei Runden auch nur die Kandidaten für die OB-Wahl zu Wort kamen. Auch hier als Anregung, die zweite Runde mit den "Spitzen" der Parteien zu machen.
Warum mich das so stört? Es ist ja so, dass die Entscheidungen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung in dieser Stadt vom Stadtrat getroffen werden und die Oberbürgermeisterin erst einmal andere Aufgaben hat. Nämlich die Vorgesetzte von über 1100 städtischen Bediensteten zu sein und eine Verwaltung zu führen. Wenn aber den Wähler:innen suggeriert würde, wir hätten so etwas wie einen König zu wählen und auch entsprechende Versprechungen gemacht werden, dann ist das kritisch zu sehen und der Stadtrat wird herabgesetzt. Berichten die Medien dann auch noch entsprechend, nimmt unsere Demokratie schaden.
Daher meine zwei Bitten hier, auch wenn zumindest eine davon sicherlich nicht gehört werden wird: Bitte, liebes Land Niedersachsen, entsynchronisiert die Amtszeiten der HVB und der kommunalen Selbstvertretung wieder. Ein Jahr auseinander würde reichen. Und, liebe Medien in Delmenhorst, in fünf Jahren zur nächsten Kommunalwahl, bitte achtet auf eine ausgewogene Berichterstattung über beide Wahlen.
2. Der Wahlkampf wird amerikanischer und populistischer
Wir haben in Deutschland ca. 61.000.000 Wahlberechtigte. In Delmenhorst haben wir ca. 60.000 Wählerinnen und Wähler, das entspricht 1 Promille der Wähler in Deutschland. Rechnet man jetzt die Wahlkampfbudgets der "großen Parteien" für eine Bundestagswahl auf ct. per Wähler herunter, dann ergibt sich für eine Bundestagswahl bei der CDU ein Wert von 30 ct./Wähler, bei der SPD 38 ct./Wähler und bei der FDP sogar nur 6 ct./Wähler (alles Zahlen von 2017). Hochgerechnet auf eine Kommunalwahl in Delmenhorst kommt man mit diesen Zahlen auf ein Budget von ca. 20.000 Euro bei der SPD und CDU und 3.600 Euro bei der FDP. Ist diese Zahl sicherlich für die SPD und CDU realistisch, so muß man bei den "kleineren" Parteien natürlich einen höheren Wert von z.B. 10.000 Euro ansetzen, der Rahmen in dem sich auch die DL bewegt hat.
Nun hat aber jeder, der diesen Wahlkampf verfolgt hat, gesehen, dass es hier deutliche Ausreißer gegeben hat. Um nur einmal einen Aspekt zu beleuchten: Eine ganzseitige Anzeige im Kreisblatt muß nach Abzug aller Rabatte mit ca. 5000 Euro Brutto gerechnet werden. Kleinere Anzeigen entsprechend weniger. Für die DL hätte das bedeutet, wir hätten zwei ganzseitige Anzeigen im kompletten Wahlkampf schalten können und hätten dafür unser komplettes Budget verbraucht. Nun möge also jeder, der im letzten 3/4 Jahr Zeitung gelesen hat, sich selber ausrechnen, was die einzelnen Parteien alleine für Anzeigenwerbung ausgegeben haben und über welche Budgets da verfügt werden konnte.
In anderen Kommunen stellte sich nach der Wahl heraus, dass es hier Korruption im Spiel war. Das ist zum Glück in Delmenhorst nicht der Fall.
Zentriert sich die Wahlwerbung dann noch komplett auf einzelne Personen, so haben wir amerikanische Verhältnisse und die eigentlichen Themen bleiben auf der Strecke. Anscheinend ist das aber der Trend für die Zukunft, dem müssen wir als Parteien bzw. Wählergemeinschaften uns stellen.
Zum Glück, sind wir bei dieser Wahl noch "mit einem blauen Auge" davon gekommen und hatten zwar einen amerikanischen Wahlkampf - aber kein amerikanisches Ergebnis. Aber, wir müssen hier vorsichtig sein, dass uns das nicht vielleicht in fünf Jahren passiert.
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